Es ist ein Vorgang, der die Debatte über den Umgang mit der AfD erneut anheizt: Im Landkreis Bautzen hat die CDU im Kreistag einem Antrag der AfD zugestimmt, der eine Kürzung der Leistungen für ausreisepflichtige und abgelehnte Asylbewerber vorsieht. Die Grünen sprechen von einem „Dammbruch“.
In der Kreistagssitzung am Montagabend stimmte mit 47 Kreistagsabgeordneten eine deutliche Mehrheit für den Antrag: 28 Ja-Stimmen entfielen auf die AfD, 19 auf die CDU, darunter auch die von Landrat Udo Witschas. Vier Christdemokraten enthielten sich, einer stimmte mit Nein. CDU und AfD sind im Kreistag mit je 29 Sitzen die mit Abstand größten Fraktionen.
In dem Antrag wird der Landrat beauftragt, dem Kreistag bis März 2023 eine Neufassung der Integrationsleitlinien des Landkreises vorzulegen. „Die Überarbeitung hat dabei unter der Maßgabe zu erfolgen, dass künftig ausländische Staatsangehörige von Leistungen der Integration ausgenommen sind, welche im Bundesgebiet kein Aufenthaltsrecht haben und vollziehbar zur Ausreise verpflichtet sind“, heißt es in dem Antrag, der WELT vorliegt. „Von diesem Grundsatz ausgenommen sollen Personen sein, die über eine geklärte Identität verfügen, Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung nicht rechtsmissbräuchlich verhindern und intensive Integrationsbemühungen vorweisen“, heißt es weiter.
Die bestehenden Integrationsleitlinien stammen aus dem Jahr 2016 und zielen pauschal auf alle „Zuwanderer“. Eine Unterscheidung von legaler und illegaler Migration sowie hinsichtlich des Aufenthaltsstatus – zum Beispiel als anerkannter Asylbewerber, Geduldeter oder EU-Bürger – findet nicht statt. Der Landkreis sagt in den bestehenden Grundsätzen zu, Zuwanderer beim Lernen der deutschen Sprache zu unterstützen und die Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern.
Das Verhältnis zur AfD ist seit Jahren für die CDU eine Gratwanderung
Die Grünen im Kreistag kritisieren, dass die CDU einem Antrag der AfD zugestimmt hat. Kreistagsmitglied Jonas Löschau schrieb auf Twitter von einem „Dammbruch“.
Das Verhältnis zur AfD ist seit Jahren für die CDU eine Gratwanderung. Einerseits lehnen die Christdemokraten die Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten ab. Ein Grundsatzbeschluss von 2018 schließt „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit“ aus. Parteichef Friedrich Merz hatte vor seiner Wahl zum Parteivorsitzenden erklärt, er werde eine „Brandmauer“ nach rechts ziehen.
Andererseits hält auch die CDU in ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss von 2018 fest: „Gewisse Berührungspunkte lassen sich im parlamentarischen Alltag nicht vermeiden.“ Jüngstes Beispiel: Im November brachte die CDU-Landtagsfraktion in Thüringen einen Appell gegen Gendersprache in öffentlichen Einrichtungen durch das Parlament – mit Zustimmung der AfD. Die CDU in Thüringen vertrat den Standpunkt, dass sie diesen Antrag eigenständig in den Landtag eingebracht habe und nicht beeinflussen könne, wer diesem zustimme und wer nicht.
Im Kreistag von Bautzen ist der Fall nun umgekehrt: Die CDU schloss sich dem AfD-Antrag an. Doch auch das ist keine Neuigkeit; bereits 2017 stimmte die Mehrheit der CDU im Landtag von Sachsen-Anhalt einem Antrag der AfD zu, mit dem die Einrichtung einer Kommission zur Untersuchung von Linksextremismus beschlossen wurde.
Das Dilemma, eine Sachentscheidung zu teilen, sich aber eigentlich von der AfD abgrenzen zu wollen, gibt es auch in anderen Parteien: In Neubrandenburg votierten bei der Neuwahl von Ausschussvorsitzenden sogar Mitglieder der Linkspartei für einen AfD-Mann.
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