Am Dienstagmorgen ist es laut Angaben der Klimaprotestgruppe „Letzte Generation“ zu Durchsuchungsmaßnahmen bei elf Aktivisten gekommen. Wie WELT erfuhr, verantwortet die Staatsanwaltschaft Neuruppin die Ermittlungen federführend. Oberstaatsanwalt Cyrill Klement sagte, es würden verteilt über die Bundesrepublik Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Neuruppin vollstreckt.
Auslöser der Ermittlungen waren offenbar Sabotage-Aktionen der „Letzten Generation“ an einer Pipeline in Schwedt. Dort hatten Aktivisten seit dem Frühjahr mehrfach versucht, den Ölfluss zu unterbrechen. Die betroffene PCK-Raffinerie hatte den Aktivisten nach eigenen Angaben im Oktober einen Dialog angeboten. Weitere Protestaktionen an einer Pumpstation sorgten jedoch für einen ergebnislosen Abbruch der Gespräche.
Nach Angaben von Oberstaatsanwaltschaft Klement geht es auch um den Vorwurf der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 StGB. Die Ermittlungen markieren eine Kurswende der Behörden im Umgang mit den Aktivisten. Zuletzt war die Berliner Generalstaatsanwaltschaft zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei der „Letzten Generation“ nicht um eine kriminelle Vereinigung handelt. Die Innenminister der Länder hatten kurz darauf beschlossen, ein bundesweites Lagebild zu den Protestaktionen der Gruppe zu erstellen.
Kritik von Neubauer
Der Paragraf 129 StGB ist in Deutschland nicht unumstritten. Kritiker bezeichnen ihn als „Schnüffelparagrafen“. Wenn die Behörden wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermitteln, eröffnet das ihnen unter bestimmten Voraussetzungen weitreichende Möglichkeiten. Ermittler können dann etwa Telefone abhören, Räume verwanzen und Personen observieren. Bundesweit führen jedoch nur etwa fünf Prozent aller Ermittlungen nach Paragraf 129 zur Anklage.
Aimée van Baalen, Sprecherin der „Letzten Generation“, sagte zu den Durchsuchungen: „Das alles, weil die Bundesregierung unser Grundgesetz bricht und noch immer nicht das Pariser Abkommen einhält und diese Leute deswegen auf die Straße gehen.“ In einer Pressemitteilung der Gruppe heißt es: „Voraussetzung für den demokratischen Prozess ist die Möglichkeit, sich frei und öffentlich zu versammeln, sich als Gruppe zusammenzuschließen und auch Widerstand zu leisten. Wenn dieses Prinzip Kriminalisierung erfährt, bedroht das die demokratischen Grundfesten.“
Auch Luisa Neubauer, eine der bekanntesten deutschen Klimaaktivistinnen, bezeichnete die Durchsuchungen als „grenzenlos unverhältnismäßiges“ und „absurdes Vorgehen“.
Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Dresden waren bereits im November die Wohnungen mehrerer Aktivisten durchsucht worden. Gegen sie besteht der Verdacht der gemeinschädlichen Sachbeschädigung. Ihnen wird vorgeworfen, sich im August an den Rahmen des Gemäldes Sixtinische Madonna in Dresden geklebt zu haben. Der Sachschaden betrug 4000 Euro.