Thursday, April 25, 2024

So wird der „Polizeiruf 110“: Wo die wilden Bagger wohnen

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Die Lausitz, das kann man sich heute kaum vorstellen, muss man sich als eine paradiesische Landschaft denken. Zu Urzeiten war das so. Sagen berichten davon. Sagen der Sorben. Von Gott geschaffen an einem ziemlich guten Tag. Und dann kam – so geht eine Sage – der Teufel und hat die Kohle unter der Lausitz vergraben.

Und dann kamen die Bagger. Die wurden immer größer. Wie Dinosaurier stehen sie heute noch da im Südosten Brandenburgs, in einer traumatisierten Landschaft, die aussieht wie kurz nach dem Meteoriteneinschlag. Einer Landschaft, in der sich wie wahrscheinlich nirgends sonst deutsche Geschichte und Gegenwart erzählen lässt, Wende- und Wandelgeschichte.

Eine Landschaft als ideale Projektionsfläche für geschichtstiefe Mordgeschichten, für Erzählungen von traumatisierten Typen, für Geschichten von Frauen, denen die Luft zum Atmen genommen wird, staubige Geschichten.

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„Abgrund“, der neue deutsch-polnische „Polizeiruf 110“, der letzte mit Lukas Gregorowicz als Kommissar Adam Raczek, ist so eine staubige Geschichte aus der Lausitz. Und das einzige Problem, dass sie hat, ist, dass vor kaum einem Vierteljahr schon mal ein Kommissar da war, bei den Baggern, an den Seen, die renaturiert werden und Touristen anlocken und dem Land eine Zukunft bringen sollen.

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„Lauchhammer“ hieß die Mini-Serie. Misel Maticevic war der Kommissar. Viereinhalb Stunden lang tauchte er als Lausitz-Renegat ganz tief in die Brüche und die Staubigkeit der Lausitz. Auch da starben Mädchen, weil ihnen wer den Atem nahm. Auch da machte die Vergangenheit eines Systems, in dem es keine Mörder geben durfte, mobil gegen die Gegenwart. Ging es um den vergangenen Stolz einer Gegend, mal einem ganzen Land Wärme gebracht zu haben.

Und darum, was von dem Stolz übrig blieb in einer postfossilen Welt, in der Kohle vom Teufel ist. Von einer weiten Landschaft mit engen Herzen. Schon da lernte man, die Bagger meiden und jene Männer, die sie bewachen, die sie erklären.

Dem Kommissar ist nicht zu helfen

Die Lausitz ist der perfekte Spiegel für Adam Raczek. Für einen Mann, dem die Brust in den vergangenen Jahren immer enger geworden ist. Einen Traumatisierten, Verstörten. Dem seine Kollegin weggemordet wurde. Der nicht mehr weiß, wozu er eigentlich macht, was er macht, weil sich nichts ändert.

Weil der Teufel die Welt regiert und die Kohle, und ein Kommissar nur einer ist, der hinter den Teufeln der Welt herrennt. Der nichts rettet.

Raczek nimmt Tabletten. Raczek zittert. Der Wind der Angst weht ihn immer wieder an übers Land. Eine fahle Sonne hängt über Lausitz. In Fehlow ist Raczek, das ist ein fiktives, aber archetypisches Dorf. Eine polnische Geologin ist tot.

Adam Raczek (Lucas Gregorowicz, r.) und Kommissaranwärter Vincent Ross (André Kaczmarczyk, l.) ermitteln auf dem Gelände eines ehemaligen Braunkohleabbaugebiets in der Lausitz

Auf dem Gelände eines ehemaligen Braunkohleabbaugebiets
Quelle: rbb/Christoph Assmann

Erstickt hat sie wer. Sie sollte ein Bodengutachten machen. Darüber urteilen, ob das Ufer des künstlichen See für den Tourismus, zur Bebauung geeignet ist. Fehlow bangt. Es hat investiert. Es hofft. Tourismus ist die Zukunft. Die einzige, die sie haben, seit die größte bewegliche Arbeitsmaschine der Welt nur noch ein skelettiertes Freiluftmuseum ist.

„Abgrund“ beginnt wie ein Horrorfilm. Eine Frau läuft durch einen finsteren Wald. Eine Hand kratzt im Todeskampf an einem Baum. Jemand atmet schwer. „Abgrund“ bleibt ein Horrorfilm. Er wird nur stiller. Er holt den Horror unter Fehlow hervor wie die Bagger die Kohle.

Die Methode ist eine uralte. Raczek und sein Kollege Vincent Ross, der erste einigermaßen genderfluide Ermittler im deutschen Fernsehen, kommen wie die Aliens aus der Stadt. Eigentlich wollen sie gleich wieder weg. Bleiben aber hängen – noch eine Leiche wird gefunden, eine Frau verschwindet, die Adam hätte lieben können. Dass sie Ewa heißt, hätte vielleicht nicht unbedingt sein müssen. Raczek und Ross werden unsere Sonden in die Flöze der Vergangenheit und der verschwiegenen Gegenwart des verschlossenen Dorfs.

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Peter Dommaschk und Ralf Leuther fördern in ihrem Buch dabei zutage, was auch „Lauchhammer“ ans Licht brachte. Skelettierter, skizzenhafter halt, sie haben nicht so viel Zeit und sie müssen außerdem noch einen Kommissar glaubhaft verabschieden.

Aber auch sie erzählen von der sozialistischen Vergangenheit, die nicht enden will, von der Wende und dem Kulturwandel und was er mit den Menschen macht, die geblieben sind, weil sie nicht weg konnten. Von den neuen Strukturen in einer strukturschwachen Gegend. Sie erzählen die Landschaft und die Landschaft in den Menschen.

Sie erzählen vor allem von zwei Jungs, mit denen etwas hätte passieren können. Dem coolen, wortkargen Adam, dessen Haut dünner ist, als er vorgibt. Und Vincent, der mit Kunstpelzkragen, grünem Pullunder und rosa Hemd auf nicht unbedingt landschaftsgerechtem Schuhwerk durch die Lausitz läuft. Die fahren sich an, die bemuttern sich, belehren sich, zwischen denen ist immer irgendwas los. Eine Fremdheit, eine nahe Ferne.

Das aufregendste Krimi-Duo stirbt

Man hätte diesem Spiel gern weiter zugeschaut. Adam und Vincent waren das – neben dem ausbaufähigen Saarländer „Tatort“-Duo – interessanteste Team des Sonntagabendkrimis. Nun macht sich Lukas Gregorowicz am Ende von „Abgrund“ – das darf man spoilern – aus dem Staub über der Lausitz. Und André Kaczmarczyks Vincent macht sich allein auf Mörderjagd im deutsch-polnischen Grenzgebiet.

Das kann er. Kaczmarczyks kajalstiftverzierter Kommissar ist eine fabelhafte, flirrende Figur. Und die Selbstverständlichkeit, mit der er durch die Fälle pflügt, mit der er sein Sosein leben darf im „Polizeiruf“, ist vielleicht ein größerer Erfolg für die LGTBQ+-Bewegung als das Gendern in den „Tagesthemen“.

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