Die Personalie war lange geheim gehalten worden. Auf der Website der StB Expo wird sogar bis heute noch die Neugier geschürt. Wer für die Veranstaltung in der bayerischen Landeshauptstadt als Gastredner auftreten wird, bleibt auch im dazugehörigen Text vage: „Die Messe München steht unter dem Motto ,Erfolgreich sein und bleiben‘, und auch für die letzte StB EXPO des Jahres 2023 sind wir mit einer sehr bekannten Persönlichkeit in Kontakt, die wie kein Zweiter weiß, wie Erfolgsgeschichten geschrieben werden. Seien Sie gespannt und lassen Sie sich überraschen.“
StB Expo – wer die Abkürzung mit den drei Buchstaben korrekt auflöst, erfährt, dass es sich dabei um das Thema Steuern und die Beratung in den damit verbundenen, oft kniffligen Themen dreht. Und wen nun der Ehrgeiz packt, das Rätsel zu lösen, wer denn in diesem Kontext besser als „kein Zweiter“ als inspirierender Redner auf die Fachmesse der Steuerberater passt, kann sich seinen Versuch so sicher abschreiben wie Werbungskosten.
Während auf der vorgelagerten Veranstaltung in Hamburg Fußball-Schiedsrichter Deniz Aytekin zum Thema „Entscheidungen treffen und umsetzen“ spricht und Unternehmer Jochen Schweizer in Köln über „Mitarbeitermotivation“ doziert, holen die Organisatoren für München Uli Hoeneß als Top-Speaker auf die Bühne. Uli Hoeneß.
Die unfreiwillig komischen Steuer-Männer
Ja, darauf muss man erst mal kommen, und spätestens nach der Bekanntgabe auf dem Instagram-Kanal der Expo darf man sich getrost fragen, ob die Veranstalter noch alle Quittungen beieinander haben: „Wer würde besser nach München passen, als der ehemalige Manager und heutige Ehrenpräsident des FC Bayern München, Uli Hoeneß?“, heißt es dort.
An der Frage ist an sich nichts zu beanstanden. Der Mann personifiziert die größte Erfolgsgeschichte des Vereinsfußballs in diesem Land, kann rhetorisch brillant sein, unterhaltsam und gehaltvoll. Hoeneß lieferte in seinen unzähligen Wortbeiträgen über Jahrzehnte ein stets ausgewogenes Verhältnis aus seriöser Analyse und Höhöhö-Momenten. Eine extrem wirksame und präzise Allzweckwaffe. Egal wo, ob auf dem politischen Parkett oder im Bierzelt.
Und dennoch möchte man den nonchalanten 70-Jährigen zunächst einmal vor allem eines fragen: Herr Hoeneß, kann es eine noch dämlichere Idee geben, als auf der Fachmesse der Steuerbranche aufzutreten?“ Und falls er es vergessen hat: 2014 wurde ein gewisser Uli H. nach einer Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro verurteilt. Der Täter hat seine Strafe erhalten und verbüßt, die Sache sollte erledigt sein – allerdings für beide Seiten. Nachtreten ist ebenso schlechter Stil wie ein Auftritt auf der Steuermesse.
Bleibt noch die Frage nach dem Veranstalter: Hat da jemand ganz bewusst einen PR-Coup vorbereitet, oder sind die Initiatoren moralisch ebenso wenig selbstreflektiert wie Hoeneß? Womöglich verfügen die Steuer-Männer auch einfach nur über eine große Portion unfreiwilligen Humor. Den hatte die Branche ja bereits vor 26 Jahren bei der Einführung der digitalen Steuererklärung dokumentiert: 1996 ging Elster an den Start, und der Name sorgt bei manchem noch bis heute für diebische Freude. Koordiniert wird das Projekt übrigens vom Bayerischen Landesamt für Steuern.